[1. Kapitel des Romans]
von A.R. Deleanu
übersetz durch Ana-Maria Herța
Bitte?
Ich sage: sind Sie Schriftsteller?
Ich? Nein, ich bin kein Schriftsteller.
Der Türsteher hat seine Baskenmütze zurück auf seinen kahlen Kopf gesetzt und ihm den Rücken zugedreht. Über den Tisch gebeugt, hat er angefangen, den Knopf eines alten Radios zu drehen.
,,…hat in der Pressekonferenz der Regierung ausgesagt, dass die in der Region gefallenen Maste zur Zeit nicht beseitigt werden können und das Telekommunikationsnetz nicht repariert werden kann, bis der Sturm aufhört. Wir setzen die Nachrichten fort. Immer mehr Dörfer sind von den Gewässern bedeckt, und die Behörden…‘‘
Verdammt!
Der Türsteher ignorierte ihn. Ab und zu verfluchte er die Nachrichtensendung und ordnete die Baskenmütze auf seiner Glatze. Der Verlag war im ersten Stock des alten und massiven Gebäudes aus dem Stadtzentrum. Er ist hochgegangen.
Verdammt! hörte man von unten.
Der Stock brachte drei Türen unter: die eine war die Tür des Verlages, die zweite führte in ein Pfandhaus und die dritte schien nirgendwohin zu führen. Er wagte es noch nicht hineinzugehen, schaute das aufgeklebte Logo an der Tür an und dachte an das Gesicht des Redakteurs, wenn er die Tür aufmachen würde. Er hat ihn bis jetzt noch nicht angerufen, um über das Manuskript zu reden, aber er konnte auch nicht ewig warten. Ein in der Schublade vergessenes Manuskript wird nicht über Nacht zu Brot. Er hat geklopft. Durch das offene Fenster am Ende des Flures hörte er den Regen stärker werden. Er hat angefangen, lauter an die Tür zu klopfen. Einmal, zwei Mal – immer lauter.
Die Tür flog an die Wand und vor ihm ist ein hoher und buckeliger Mann mit einem Stummel Zigarette im Mund erschienen. Er hat sich die Kippe von den Lippen gerissen und gesagt:
Was klopfst du so? Denkst du, ich sei taub?
Entschuldigen Sie, ich dachte…
Eh, du dachtest. Was willst du?
Ich wollte mit Ihnen über mein Manuskript reden.
Der Mann hat ihm den Rücken zugedreht und ist auf den Schreibtisch zugegangen. Er hat sich auf den Stuhl gesetzt und angefangen, die Stapel Manuskripte und Bücher vom Tisch zu seinen Füßen zu versetzen. Er schlürfte etwas aus einem Glas und paffte aus dem Stummel, der zwischen seinen Lippen steckte. Im ganzen Raum roch es nach Alkohol und abgestandener Luft.
Ich möchte über den Roman diskutieren.
Was denn?
Vielleicht beschleunigen wir die Dinge ein bisschen.
Eile? Aber ihr habt es ja sehr eilig. Hast du nach draußen geblickt? Wohin beeilst du dich so?
Nein, aber…
Name.
Bitte?
Dein Name.
Er hat ihm den Namen gesagt und der Mann hat seine Zigarette in einem vollen Aschenbecher ausgemacht. Der letzte Stummel passte nicht mehr hinein und ist lautlos neben den Aschenbecher gefallen.
Ja, gut, ich weiß.
Haben Sie Sich meinen Roman angesehen?
Ja, ich habe ihn mir angesehen.
Und?
Was und?
Nun, was denken Sie?
Der Mann hat das Glas in einem Zug geleert, dann hat er sich gebückt und eine neue Flasche unter dem Schreibtisch hervorgeholt. Er hat sein Glas halb gefüllt und sich zum Fenster gedreht.
Du, siehst du was draußen ist? Was zur Hölle interessieren dich Hirngespinste jetzt? Literatur willst du, wenn du siehst, was draußen ist? Schau dich an, du bist klitschnass, zitterst vor Kälte und du denkst immer noch an Literatur.
Es hat lange gedauert, ihn zu schreiben, ich gehe ständig mit ihm herum, Sie wissen, wie es ist.
Nein, ich weiß nicht, wie es ist. Ich habe nie einen Roman geschrieben und ich werde in diesem Alter auch nicht damit anfangen.
Ich wollte kommen, damit wir diskutieren, bis das Zentrum nicht auch noch überflutet ist, man kann noch verkehren. Ich dachte, dass wir die Dinge ein bisschen beschleunigen, denn wir haben es nicht leicht, wir sind jung, wir brauchen ein bisschen Geld, etwas.
Geld? Also brauchst du Geld. Wer braucht kein Geld? Ich brauche auch Geld, aber wie soll ich mit solchen wie dir etwas verdienen?
Wenn es nicht möglich ist, soll ich wenigstens mein Manuskript zurücknehmen.
Der Mann ist vom Schreibtisch aufgestanden und ist vor dem Fenster stehengeblieben.
Schau was draußen ist, hat er gesagt. Es ist eine Katastrophe. Unser Lagerhaus wurde überflutet, ich hab Menschen, die in Dörfern steckengeblieben sind, zuhause nerven mich meine Kinder, weil meine Frau sie nicht mehr in die Schule schickt, weil sie etwas durch den Wind ist. Sie hat mich mit einer Göre erwischt, meine Güte. Seit drei Nächten schlafe ich hier und du kommst und nervst mich mit deinem Buch.
Ich verstehe.
Eh, du verstehst, gar nichts verstehst du.
Doch, ich verstehe Sie, weil ich selber Sorgen habe, ich habe eine ganze Menge Sorgen. Sie haben gesehen, wie viele Probleme auch im Schulsystem sind, besonders, wenn man am Anfang ist.
Nun, hab ich dich in die Schule geschickt?
Also, haben Sie meinen Roman gelesen?
Ja, Junge, ich hab ihn gelesen.
Und?
Was und?
Nun, wie ist er?
Ich kann jetzt nichts mit ihm anfangen.
Aha, ich verstehe… aber wie ist er?
Er ist schwach.
Es hat ihn wie eine Faust ins Gesicht getroffen. Noch ein Verlag, der seinen Roman nicht wollte. Einfach: er ist schwach und das war’s. Es geht nicht um einen Stecker, der kaputtgeht, oder Putz, der von der Wand fällt, sondern um ein Buch, das entweder gefällt oder nicht, so einfach ist es. Und wenn es nicht gefällt, ist es umsonst, es ist nutzloser als ein kaputter Stecker oder abgefallener Putz, weil es nicht veröffentlicht wird, niemand es sieht, also es nicht existiert. So einfach war es.
Warum? hat er gefragt.
Nun, ich soll dir sagen warum? Du hast ihn geschrieben. Er würde nicht verkauft werden, du, er ist ein Debüt, aber hat keine Eier. Schreib auch du am Anfang über etwas anderes, so, wenigstens die ersten zwei Bände.
Worüber soll ich schreiben?
Über etwas anderes, ich weiß nicht.
Aber wenn mich das interessiert, was soll ich schreiben?
Was interessiert mich, was dich interessiert? Schreib auch du etwas mit mehr Eiern, dass dich diese in der Zeitung veröffentlichen, dass dein Gesicht da auf dem Papier ist. Schmeiß ein paar Straßengeschichten, Gettogeschichten, etwas, rein. Etwas mit den Plattenbauten, weißt du?
Ja.
Also, mit denen. Ein paar geschiedene Familien, ein paar Drogen. Ekel geht immer. Steck etwas ekliges rein, hör auf mich. Dass du den Magen der Alten umdrehst und siehst, dass es sie trotzdem im Arsch juckt, umzublättern. Und auf der nächsten Seite, hopp, fickst du sie auch in den Arsch. Du wirst sehen, wie sie danach das Ganze liest. Böse Mädchen, die böse Sachen mit bösen Jungs tun, so was, die Gören sind begeistert von solchen Sachen. Hast du diese neueren Soaps nicht gesehen? Schaust du kein fern?
Doch, manchmal, aber es ist nicht viel Zeit.
Aber zum Bücher schreiben hast du Zeit? Lieber würdest du fernsehen, als diesen Quatsch zu schreiben. Und was ist mit diesem Stil? Liest du keine Bücher? Schreibst nur? Du bist romantisch, dichtest billig, ich weiß nicht, was mit dir los ist. Lieber würdest du Konditor werden. So schreibt man nicht. Weißt du, was wir jetzt machen?
Er hat nicht geantwortet, er wartete darauf, dass die Rede zu Ende war. Er wusste nicht, wie lange er es noch aushielt, er dachte, dass eine Faust auf die Nase ihn zum Schweigen bringen würde, aber er hoffte immer noch, dass hinter all den Beleidigungen ein Vertrag zur Veröffentlichung steckte.
Prosa, du, das machen wir. Was du da machst ist keine Prosa, aber es ist auch keine Dichtung. Es ist etwas dazwischen, eine unschlüssige Kreatur. In der Literatur ist kein Platz für Schwule und Hermaphroditen. Die Welt der Bücher ist nicht vollkommen, andere Bücher springen auf diese Broschüre von dir und zerfleischen sie und erbrechen sie irgendwo auf einem zerstaubten Regal aus einem Antiquariat, das kleiner als dieses Zimmer ist.
Er kannte diese Art von Rede, es war nicht das erste Mal, dass er sie hörte. Er stand brav wie ein Schüler mit den Händen auf den Knien und spürte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg.
Sex! hat der Mann geschrien. Warum hast du keinen Fick reingesteckt?
Ich wollte nicht. Es war nicht der Platz dafür, hat er geantwortet.
Du wolltest nicht. Es war nicht der Platz dafür. Nun, es ist nicht wahrheitsgetreu, du. Was, fickst du nicht? Sag mal, wie lange dauert die Handlung in diesem Roman, oder was das ist?
Ein paar Wochen.
So. Und in ein paar Wochen fickt keiner? Gut, ich nicht, weil ich alt bin und viel trinke. Zur Göre gehe ich mit erhobenen Fingern, wie in der Schule, aber du? Fickst du nicht?
Ich möchte, dass Sie mir das Manuskript zurückgeben.
Sag, du, fickst du? hat er angefangen zu schreien. Und was ist mit diesem Thema: ein Haus, das vom Wasser genommen wird. Wenn es genommen wird, wird es weggetragen, du, und zerstört. Hast du nicht im Fernsehen gesehen, was sie zeigten? Wenn das Wasser kommt, trägt es sie nicht lange, es zerstückelt sie. Wie sollen die im Haus so viele Wochen weiterleben? Wer soll dir glauben? Du musst den Leser anlügen. Der Schriftsteller ist der einzige Mensch, dessen Berufung die Lüge ist. Und die Erfindung. Nein, ich mache einen Fehler.
Er hat angehalten und sein Glas aufgefüllt, das er in einem Zug geleert hat, dann hat er laut geschmatzt und gesagt:
Nein, ich mache einen Fehler, da gibt es noch die Pfarrer. Die verdienen mehr, als die Schriftsteller, warum wirst du kein Pfarrer? Du wärst besser, denn ich sehe, dass du zuhören kannst.
Ich kann auch…, hätte er sagen wollen, aber er hat geschwiegen.
Du, ich hab solche wie dich satt, du! Ich rede mit dir! Ihr Wichser. Ihr seid weit weg von der Welt, du, in den Wolken.
Er ist in eine Ecke des Zimmers gegangen und hat den Schlafsack über den Kopf gehoben.
Schau, das ist die Realität, hat er gesagt.
Er hat an den Vorhängen gezogen, bis er sie aus der Galerie gerissen hat.
Schau! Schau nach draußen! Wenn du darüber schreiben wirst, sollst du zu mir kommen, damit ich dich veröffentliche.
Nun, zufällig schreibe ich darüber.
Du schreibst nicht, sag so etwas nicht, ich weiß, worüber ich rede! Wie viel schreibst du, zwei Seiten?
Flasche – Glas – Schlucken – Schmatzen.
Ich weiß was ich sage, schrie er weiter. Ich sagte nicht, dass du über den Regen schreiben sollst, sondern über die Menschen im Regen.
Ich glaube nicht, dass Sie mein Buch gelesen haben, weil, wenn Sie es getan hätten… hat er gesagt, aber er hörte ihm nicht zu.
Der Redakteur beugte sich über den Schreibtisch und hat sein steinernes Gesicht ein paar Zentimeter von seinem gestützt.
Du: ich – scheiß – auf – dein – Buch!
Klar und deutlich. Ein paar Speicheltropfen, mit starkem Alkohol vermischt, sind von seinen Lippen auf die Nase des jungen Mannes gesprungen. Er war für eine solche Szene nicht vorbereitet. Das Erste was ihm in den Sinn kam war aus dem Stuhl zu springen und den Mann am Kragen des Hemdes zu fassen. So handelten die Männer in Bücher und Filmen. Er ist an den Hals des Redakteurs gesprungen. Ein Knopf ist abgegangen und genau in das Glas zwischen ihnen gefallen. Er hat den Mann auf den Schreibtisch umgeworfen und gesagt:
Das Manuskript.
Du, ich bin ein alter Mann, was zum Teufel…
Das Manuskript.
In der Schublade, die von unten.
Das Manuskript lag in der Schublade, mit Kaffee befleckt und zerknüllt. Mit zerknittertem Kragen, einem fehlenden Knopf, sah ihn der Redakteur verdutzt an.
Komm, sei jetzt nicht so. Ich bin auch genervt, diese Gewässer haben mich durcheinandergebracht. Nimm es nicht so.
Aber der junge Mann war schon auf die Treppen hinausgegangen.
Arbeite noch an ihm und komm noch zu mir, gut? hat ihm der Mann nachgeschrien, aber der junge Mann war schon im Erdgeschoss und ging am Türsteher mit Baskenmütze und Radio vorbei.
Blöde Scheiße! hat einer von ihnen gesagt.
Draußen war die Straße ein Fluss. Er ekelte sich und er war müde geworden. Es gibt keine Rezepte für so etwas, nichts hätte den bitteren Geschmack aus seinem Mund vertreiben können. Er ist eine Weile im Regen stehengeblieben. Er fühlte sich schmutzig. Das Wasser stand schon über den Fußsohlen und riss alles nach sich, den Schmutz irgendwo weit weg die Straße hinunter sammelnd. Ein Kind lief mit dem Kopf nach unten durch den Regen. Es hat ihn getroffen und das Manuskript ist in die Pfütze gefallen. Er hat sich nicht gebückt, um es aufzuheben, er ist da geblieben und hat angesehen, wie das Wasser es hinunterspülte. Ohne etwas zu sagen lief das Kind mit nassen Hosen weiter. Er hat es angeschaut, bis es hinter einer Ecke verschwunden ist, es schien, als ob er alles nach sich zog, sogar das Wasser bog nach ihm ab. Das Manuskript stütze sich auf den Haufen Schmutz. Er ekelte sich. Er wollte ihm nicht hinterherlaufen, er fühlte nichts, außer dem wunden Ekel, aber vielleicht war sogar das kein Ekel, sondern Müdigkeit. Er hätte viel schlafen wollen. Vielleicht sogar nie wieder aufwachen. Es hat ihn genervt, zu hören, dass das Manuskript schwach sei – nicht, dass er es nicht geahnt hätte –, dass es zu nichts gut sei, aber jetzt, als es nicht nur schwach, sondern auch nass und bald ganz verschwunden war, ging ihn gar nichts mehr an. Vielleicht Ekel, vielleicht Schlaf. Er hat seine Kräfte gesammelt, um nach einem Taxi zu rufen.
Das Radio schrie.
,,…hat 65 l/qm gesammelt. Die Landesverwaltung hat durch eine Pressemitteilung kundgegeben, dass der Regen in immer höheren Mengen fallen wird. Eine Krisenzelle befindet sich zur Zeit in der Regierung, um festzulegen, ob die Warnung höchster Stufe auch für die restlichen Kreise des Landes aufgestellt wird. Herr…‘‘
Er konnte seine Gedanken nicht mehr hören.
Entschuldigen Sie, könnten Sie das Radio ein bisschen leiser machen? hat er den Taxifahrer gefragt.
Der Fahrer hat das Radio ausgeschaltet, nicht ohne den Blick kurz auf die Ecke des Rückspiegels zu richten. Jetzt konnte er all seine Gedanken hören, er hörte sie klar, das Geräusch war Bild, zehnfache Verbindungen in seinem vom Regen und Ekel wirren Kopf. Die Gedanken hingen am Gehirn wir die Tannenbaumdekorationen aus einem lächerlichen Weihnachtsgemälde. Wie Weihnachten dieses Jahr wohl aussehen würde? Genauso ärmlich. Und immer noch dort im Haus. Er wusste, dass er von dort weggehen musste, nicht für ihn, er hätte es noch ausgehalten, sondern für sie, die angefangen hatte, ihn immer öfter an ihren Wunsch, von dort auszuziehen, zu erinnern. Er verstand sie, aber er wusste nicht, was er ihr noch sagen sollte. Wenn dieser Taxifahrer sich nicht so sehr beeilen könnte… Er hat es ihr schon seitdem sie zu ihm gezogen sind versprochen. Er hat ihr gesagt: ich weiß, dass es nicht die beste Idee ist, zu meinen Eltern zu ziehen, aber es ist nur, bis wir etwas finden, woanders. Das war fünf Jahre her, als alles Sinn zu haben schien, als sie Zeit hatten. Es braucht einen einzigen Augenblick und die Zeit erschreckt sich und hastet los, über alle stampfend. Am Abend, an dem seine Mutter starb, hat die Zeit das Haus verlassen. Am selben Abend wollte er sie seinen Eltern vorstellen. Eine Tür und zwei Frauen – die eine kam hinein, die andere ging heraus. Sie ist geblieben und, mit ihr, sind auch das Schweigen und die stummen Unruhen geblieben. Zwischen den Wänden des Hauses sprach man nicht über den Abend. Es wurde das Kommen der Nacht erwartet, die Verdunkelung der Wände, um unter den Decken flüstern zu können. In den Nächten sagte sie ihm, dass es nur ihre Schuld war, dass sie den Tod ins Haus gebracht hatte, und er kämpfte bis zum Morgen, um ihr zu erklären, dass es nicht wahr sei. Aber wenn es dämmerte und die Wände erschienen, schwieg man. Sie und der Alte trafen sich auf den Fluren des Hauses, beugten ihre Köpfe und schwiegen. Die Zeit hatte das Haus verlassen und die Bewohner alleine gelassen. Der Alte, früherer Weinhändler und Besitzer von Weinrebe, hat sein Geschäft verkauft und sich in ein Zimmer zurückgezogen, das im Keller des Hauses improvisiert wurde, wo er zwischen Erinnerungen und Weinfässern wohnte, manchmal zu betrunken, um die Treppen hinaufzusteigen. Ohne die Zeit und die Frau hat der Alte Bündnis mit dem Alkohol eingegangen, dem er sich früher nur selten und mit einiger Zurückhaltung näherte. Die Zeit floss für ihn wie der Wein aus dem Fass ins Glas und so zählte er seine Tage. Wenn der Wein aus einem Fass zu Ende war, sagte er, dass er auch immer näher am Tod sei. In ihrem Haus waren Mauern ohne Türen oder Fenster aufgerichtet worden.
Nehmen wir die Hauptstraße? hat ihn der Fahrer gefragt.
Ist das der kürzeste Weg?
Ja.
Dann nicht. Fahr weiter, bitte.
Sicher war sie aufgestanden. Er hatte sie länger schlafen lassen. Sie haben sich gefreut, dass sie eine Weile zu Hause bleiben konnten. Viele Lehrer und Schüler von außerhalb der Stadt steckten fest und der Direktor hatte allen gesagt, zu Hause zu bleiben. Den beiden hat er einen Arm um die Schultern gelegt und gefragt: seit wann habt ihr keine Pause mehr gemacht? Er mochte sie, aber beide vermuteten, dass seine Sorge einem Gefühl des Mitleids entsprang. Sie brauchten das nicht, sie brauchten Geld. Das sagte sie auch immer öfters in der letzten Zeit: ich brauche nicht das Mitleid der Menschen, sondern ihr Geld. Und er nickte, ja, so sei es. Sie sind beide händchenhaltend aus dem Lehrerzimmer in den Regen gegangen, sich Pläne für die ganze Woche machend. Beide wussten, dass sie sich nicht daran halten würden, aber sie machten Pläne weil sie nichts kosteten. Er wusste, dass ihr Arbeitsplatz ihr nicht gefiel. Bevor sie ihn traf wollte sie ihr Studium im Ausland fortsetzen, wo sie sich auch kennengelernt hatten. Er wusste auch, dass es ihr schwergefallen war, zu akzeptieren, zurück ins Heimatland zu kommen und zu ihm zu ziehen. Er wusste all das. Er sah ihre Reue aus dem Augenwinkel während sie sich liebten und, nachdem sie fertig waren, fragte er sie: bereust du, dass du mit mir gekommen bist? Sie stöhnte und antwortete ihm nicht. Nächstes Jahr ziehen wir um. Er hat es ihr vier Mal gesagt, ein Mal jedes Jahr. Was soll er ihr jetzt noch sagen?
Fertig, sagte der Fahrer, wir sind angekommen. Ich ziehe mich zurück, es ist die Hölle.
Er hat ihm nicht geantwortet, es interessierte ihn nicht, ob er sich zurückzog oder nicht, er hatte nur Angst, auszusteigen. So bald er die Tür zuschlug, hat der Fahrer das Radio angeschaltet und ist durch den Regen gestartet.